Stoizismus auf dem Mars
Was wir von Der Marsianer über Krisenbewältigung lernen können
Was tun, wenn alles verloren scheint? Wenn niemand kommt, um dich zu retten? Wenn du auf einem lebensfeindlichen Planeten gestrandet bist – allein, mit wenig Nahrung und keinem konkreten Plan zur Rückkehr?
In Ridley Scotts Science-Fiction-Film Der Marsianer (2015) gerät der Astronaut Mark Watney (Matt Damon) genau in diese Situation. Doch anstatt in Verzweiflung zu versinken, reagiert er bemerkenswert gelassen, rational und handlungsorientiert – fast so, als hätte er bei Marc Aurel oder Epiktet studiert.
Der Film ist mehr als ein Sci-Fi-Abenteuer. Er ist eine moderne Lektion in stoischer Lebenskunst. In diesem Beitrag zeige ich, wie Watney zentrale Prinzipien des Stoizismus verkörpert – und was wir daraus für unseren Alltag lernen können.
Kontrolle übernehmen – über das, was kontrollierbar ist
“Zwei Dinge stehen uns zur Verfügung: der Wille und der Verstand.”
Mark Watney kann nicht ändern, dass er allein auf dem Mars zurückgelassen wurde. Er kann nicht kontrollieren, wann – oder ob – Hilfe kommt. Doch was er kontrollieren kann, ist seine Reaktion.
Statt sich seinem Schicksal zu ergeben, stellt er sich eine entscheidende Frage:
“Ich bin auf dem Mars gestrandet. Ich habe keine Möglichkeit zur Kommunikation. Wenn die Luft ausgeht, sterbe ich. Wenn die Nahrung ausgeht, sterbe ich. Wenn ich irgendwas falsch mache, sterbe ich. Aber ich werde nicht sterben. Ich werde diese Probleme wissenschaftlich plattmachen.”
Diese Haltung ist zutiefst stoisch: Der Fokus liegt nicht auf dem, was verloren ist, sondern auf dem, was noch möglich ist. Durch Analyse, Planung und kreative Problemlösung nimmt Watney Einfluss auf sein Leben – auch unter extremen Bedingungen.
Emotionen anerkennen, aber nicht beherrschen lassen
“Der Weise lässt sich von der Vernunft leiten, nicht von der Leidenschaft”
Natürlich ist Watney kein gefühlloser Roboter. Er hat Angst, ist manchmal wütend oder frustriert. Doch er handelt nicht impulsiv. Seine Emotionen sind da – aber sie bestimmen nicht seine Entscheidungen.
Ein Beispiel: Nach der Explosion seines Labors verliert er seine mühsam gezüchteten Kartoffeln. Ein dramatischer Rückschlag. Doch er tobt nicht, gibt nicht auf. Stattdessen dokumentiert er nüchtern, was passiert ist – und überlegt, was nun zu tun ist.
Das ist stoische Resilienz: Gefühle dürfen da sein, aber sie werden nicht zum Steuermann des Handelns.
Amor Fati – Das Schicksal annehmen, statt es zu beklagen
“Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und Urteile über die Dinge.”
Watney hadert nicht mit dem Schicksal. Er beklagt sich nicht über die Ungerechtigkeit seiner Lage. Stattdessen arbeitet er mit dem, was ist. Er nutzt Marsboden, menschlichen Dünger, eine alte Sonde – er macht das Beste aus dem, was ihm gegeben ist.
In stoischer Sprache nennt man das amor fati – die Liebe zum Schicksal. Nicht nur: „Ich ertrage es“, sondern: „Ich arbeite mit ihm“.
Selbstgenügsamkeit und Tugend als Lebensprinzip
“Glück hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern vom eigenen Handeln.”
Watney bleibt integer. Er handelt tugendhaft – er lügt nicht, betrügt nicht, verliert nicht die Achtung vor sich selbst. Selbst in der Isolation bleibt er sich treu, reflektiert und klug.
Er zeigt Mut, Durchhaltevermögen, Weisheit – genau jene Tugenden, die im Stoizismus als höchstes Gut gelten. Er ist nicht deswegen ein Held, weil er überlebt, sondern weil er sich selbst treu bleibt in einer Situation, in der viele zerbrechen würden.
Memento Mori – Das Leben angesichts des Todes bewusst leben
“Du wirst nicht ewig leben. Also sei, solange du lebst, wer du sein willst.”
Watney weiß: Jeder Moment könnte sein letzter sein. Doch gerade diese Nähe zum Tod verleiht seinem Leben Bedeutung. Er bleibt aktiv, neugierig, sogar humorvoll – trotz (oder gerade wegen) der ständigen Lebensgefahr.
Sein Videotagebuch ist Zeugnis davon: Er scherzt, reflektiert, kommentiert – nicht für andere, sondern für sich selbst. Er lebt. Jetzt.
Was wir aus „Der Marsianer“ lernen können
Wir werden vielleicht nie auf dem Mars gestrandet sein – aber wir kennen Krisen: Isolation, Unsicherheit, Kontrollverlust. Die stoische Haltung von Mark Watney zeigt, dass wir auch unter extremem Druck klar denken, ruhig bleiben und tugendhaft handeln können.
Was zählt, ist nicht, was dir passiert – sondern wie du darauf reagierst.
Das ist die zentrale Lektion des Stoizismus. Und Der Marsianer ist ihr moderner Mythos.
Fazit: Der Marsianer als stoisches Vorbild
Mark Watney ist kein Superheld. Er hat keine übernatürlichen Kräfte. Er ist Botaniker, Ingenieur – und Philosoph im besten Sinne. Seine größte Fähigkeit ist nicht technisches Wissen, sondern geistige Haltung.
“In einer Welt, in der du nicht alles kontrollieren kannst, sei der, der sich selbst lenkt”
Der Mars ist weit entfernt. Aber die Haltung, mit der Watney ihn überlebt, kann uns hier auf der Erde jeden Tag helfen.
Manchmal rettet nicht Technik oder Glück das Leben – sondern die Fähigkeit, stoisch zu denken.